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Ein Plädoyer für die Wut

... und alle sogenannten negativen Emotionen ...

Perfektion | Free Your Body

Sei doch nicht so wütend!

Wie oft habe ich das gehört oder: "Man muss seine Wut im Griff haben!"

Man darf seine Wut auch nicht ausdrücken: "Sei doch einfach nicht immer so wütend!" Unsere Gesellschaft erlaubt keine Wut beziehungsweise hat keine Ahnung wozu sie dient und wie man damit umgehen kann.

Keine Emotion ist so missverstanden wie die Wut. 

Denn Wut ist - wie man oft liest - eine negative Energie. Sie endet unweigerlich in einem Anheben des Stimmvolumens und einer Schreierei.....Sie kann zerstörerisch und laut sein, manchmal quengelig und manchmal eiskalt. So manche spirituelle Ratgeber schreiben der Wut auch eine negative Schwingung zu, die um in den Himmel oder in die Erleuchtung zu kommen, tunlichst vermieden werden sollte!

Wenn es ganz übel hergeht, kann die Wut auch in Aggression umschlagen und drückt sich nicht mehr nur verbal sondern auch physisch aus. Davor hat jeder Angst. Der Wüterich genauso wie der, auf den sich die Wut bezieht.

Der Wütende hat Angst, dass er die Grenzen überschreitet, der andere, dass er Opfer dieser Grenzüberschreitung wird.


Die Essenz der Wut

Wut an sich ist aber ein wichtiger Indikator dafür, dass etwas nicht passt. Dass jemand eine Grenze - nämlich unsere Grenze überschritten hat. Unsere Würde wurde angetastet.

Kommt also Wut auf, so ist das ein sicheres Zeichen, dass etwas nicht stimmt.

Hierbei gibt es aber 2 Probleme. Problem Nummer Eins:


Niemand hat gelernt "Wut" zu haben - nur wütend zu sein

Wut ist eine neutrale Energie, die sobald sie aktiviert ist, eine immense Power hat. Die Power, die wir brauchen, um unsere Würde bzw. unsere Grenzen zu wahren. Jemand anderen zu stoppen oder etwas zu stoppen, was nicht gut für uns ist. Wut ist ein klares NEIN oder aber auch ein klares JA.

Die Emotion Wut an sich muss nicht ausgedrückt werden. Weder in Form von Geschrei, noch in Form physischer Gewalt, es müssen also keine Polster malträtiert werden oder andere Menschen.

Wut will akzeptiert und angenommen werden, angenommen als Wegweiser oder Stoppschild. 

Wut macht uns wach, energiegeladen und schraubt unser Energielevel hoch - so hoch, dass es uns schreckt. Doch wir können so ein Energielevel halten - wir zerspringen nicht - ehrlich! Ich weiß das - ich bin da schon durch.... mehrmals ;-). Es ist also durchaus erlernbar!!!

Und nun zu Problem Nummer Zwei:


Wut in Kombination mit einer Geschichte

Weswegen uns die Wut aber auch oft so überwältigt, ist ihre Verbindung zu unserer Vergangenheit, zu unserer Geschichte. Oft wird unsere Wut durch Auslöser getriggert, die uns an schwierige Situationen in unserer Kindheit erinnern. An eine ungerechte Behandlung durch die Eltern. An ein Sekkieren durch die Geschwister.

Erlebnisse, bei denen eine Grenze überschritten wurde. Haben wir dann mit Wut darauf reagiert, wurden wir ob des Wutausbruchs, sofort bestraft (zumindest habe ich noch niemanden getroffen, der dafür gelobt wurde). "Wir sollten doch lieber aufhören wütend zu sein und wieder lieb."

Wut war schon in der Kindheit keine gern gesehene Emotion. Das liegt vor allem daran, dass auch unsere Eltern mit dieser Energie überfordert waren, denn sie ist stark. Wir haben also gelernt Wut zu unterdrücken und den Indikator für unser "nein" damit immer mehr verstummen zu lassen.

Warum gibt es wohl so viele Menschen, die ein Problem damit haben ihre Grenzen zu wahren oder einfach mal nur Nein zu sagen?

Hat also eine Situation im Hier und Jetzt das Potential unsere so gut unterdrückte Wut hervorzubringen, dann ist unsere Reaktion immens. Es ist als ob alle bisher gespürte Wut sich akkumulieren würde. Die Reaktion ist nicht angemessen für die Situation, sondern wird begleitet von der Energie der Verletzung, der Demütigung, des Schmerzes, die wir in der Vergangenheit erfahren haben. Wir durchleben ein altes Trauma und befinden uns je nach Strategie in einem Kampf- oder Fluchtmechanismus. Wir und unser gegenüber sind oft geschockt über die Heftigkeit des Ausbruches.

Ein Klient hat mir einmal erzählt, dass er bei einem eigentlich freundlich gemeinten Tipp förmlich explodiert ist. Es hat in ihm das alte Gefühl der Bevormundung durch seine Mutter hervorgerufen.


Ja zur Wut

Zusammenfassend kann ich nur folgendes sagen: Ich gebe ein klares JA zur Wut ab!

Aber natürlich auch ein klares NEIN dazu sie auszudrücken und gegen jemanden oder etwas zu richten. Erlaube ich meine Wut zu spüren, die Energie wahrzunehmen und einfach mal mit ihr zu sein, werde ich unglaublich klar. Kämpfe ich gegen sie an, kostet mich das Energie und die Klarheit, die ich brauche, um zu sehen was hier nicht stimmt. Erst nachdem ich diese Wut "verdaut" habe, sie kommt in Wellen und ich beobachte sie so lange, bis die Wellen abklingen und ich ruhig werde, kann ich agieren. Agieren und nicht reagieren. Ich kann dann ganz leise und bestimmt sagen, dass sich jemand verpissen soll. Oder wenn ich das große Theater wähle, schreie ich kurz rum oder ich drehe mich um und gehe. Aber damit ist es erledigt.

Lerne ich also bewusst zu unterscheiden zwischen "alter" Energie und „neuer“, dann kann die reine Wut als Indikator für ja oder nein verwendet werden.

Eine Bitte zum Schluss an alle Eltern

Habt ihr auch manchmal ein hochrotes, schreiendes Kind an Eurer Seite? Meist auch noch vor großem Publikum? Dann bitte, seid mal nicht mit Euch und dem wie ihr jetzt wahrgenommen werdet oder wie peinlich das jetzt ist, beschäftigt. Sondern holt Euer Kind ab, wo es gerade ist: in seiner Wut. Wenn mein Sohn wütend ist, sage ich nur: "So wütend?"

Ich erlaube ihm seine Wut zu haben und zu spüren. Ich verbiete sie nicht und bewerte sie nicht. Er bekommt von mir vermittelt, dass diese Emotion genauso da sein darf wie Freude, Trauer oder Schmerz. Er muss sie nicht unterdrücken. Wenn er sie durchgespürt hat, reden wir darüber. Oft war er hilflos oder einer Ungerechtigkeit ausgesetzt. Meist muss er danach gar nichts regeln. Es ist dann einfach erledigt.


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