Es ist schon wieder etwas Empörendes passiert!
Die Schwiegermutter ist unangemeldet reingeschneit! So übergriffig!
Der Partner hat mal wieder nicht angerufen, obwohl ausgemacht! So unzuverlässig!
Die Ex droht mal wieder mit Klage! So fies!
Der Nachbar feiert schon wieder laut! So rücksichtslos!
Egal welche dieser Geschichten gerade passiert, sie haben gemeinsam, dass sie uns in einen Zustand der Empörung versetzen. Weil das, was da so jeweils getan wurde, darf man nicht!
Das gehört sich nicht. Hier wurde ein unausgesprochene Vereinbarung gebrochen, einem Verhaltenskodex nicht entsprochen.
Die gängigste Reaktion ist sich darüber aufregen. Dann darüber nachdenken, wie das zu ändern ist. Entweder wie das Gegenüber zu ändern ist oder die Situation. Oder man muss dem anderen dann unbedingt beibringen, dass er sich daneben benommen hat. Weil wir wissen nämlich Bescheid. Der andere ist einfach doof, rücksichtslos, übergriffig, blablabla... Leider bringt uns das oft in eine Gedankenspirale, die immer wieder aufpoppt. Den ganzen Abend, die Nacht durch und am nächsten Tag, immer dann wenn wir nicht durch Arbeit abgelenkt sind. Es wird zur Tortur!
Warum ist unsere Empörung eigentlich so groß?
Wenn uns etwas empört, was gegen die Regeln verstößt so kann es mehrere Hintergründe haben.
Entweder man hat im Laufe seines Lebens immer wieder solche Übertritte erlebt und hatte keine Macht etwas zu verändern. Dann wird man an seine Machtlosigkeit erinnert.
Oder man erlaubt sich selber nicht übergriffig oder unzuverlässig zu sein. Das würde ich NIE tun! Meist steckt auch da eine Geschichte dahinter, dass jemand mit dieser Unzuverlässigkeit ziemlich viel Schmerz und Machtlosigkeit verursacht hat.
Was aber steckt hinter der Empörung?
Hinter der Empörung steht unser persönlicher Werte- und Erwartungskatalog.
Er ist durch Prägung in der Kindheit entstanden, sowie durch Schlussfolgerungen und Strategien, die wir uns zugelegt haben. Hat jemand einen unzuverlässigen Elternteil gehabt und darunter als Kind gelitten, weil ausgeliefert, dann kann er/sie im Erwachsenenalter beschlossen haben, dass Zuverlässigkeit ein wichtiger Wert ist. Ist jemand nicht zuverlässig wird er/sie gemäß dem Bewertungssystem bewertet.
So und hier sind wir bei des Pudels Kern angelangt.
Hast du nämlich keine Bewertung zu übergriffigen Schwiegermüttern, bist du nicht empört.
Hast du keine Bewertung zu unzuverlässigen Partnern, bist du nicht empört.
Hast du keine Bewertung wie sich eine Ex zu verhalten hat, bist du nicht empört.
Und hier setzt nun das Tool Tatsachenbericht ein!
Deine Empörung entspringt einer Geschichte und den daraus resultierenden Bewertungen.
Um aus deinem Gedankenkarussel und deiner Empörung rauszukommen, musst du stoppen dir deine Geschichten zu glauben und aufhören zu bewerten.
Tool Tatsachenbericht
Wenn du also in einer Empörung gefangen bist, dann nutze das Tool des Tatsachenberichts. Dieser kennt keine Eigenschaftswörter, keine Wertungen und Meinungen, sowie keine erklärende Geschichten dazu. Er ist klar, nüchtern und neutral. Wer, was, wann, wo?
Beschreibe, was du gerade tust:
Ich sitze gerade am PC in meinem Büro. Ich schreibe auf der Tastatur über die Empörung und darüber was uns darin hält und wie wir lernen können wieder einen freien Kopf zu bekommen. Es ist Nachmittag und sie Sonne scheint.
ODER
Beschreibe, was du gerade siehst, wie auf dem Bild oben:
Ich sehe ein Wohnzimmer. Die Wände haben bunte Holzpaneele. Die obere Hälfte ist türkis. Eine gelbe Couch steht in der Mitte. Auf der Couch liegt ein rosa Kissen. Links von der Couch steht eine Lampe, rechts davon steht eine Pflanze.
Du übst also wertungsfrei die Realität zu beschreiben.
Nun zur Königsdisziplin:
Du beschreibst wie die Situation abgelaufen ist:
Schwiegermutter Helene hat uns am Samstag um 16h unangekündigt einen Besuch abgestattet.
Das hat in mir eine Empörung ausgelöst. In meinen Gedanken suche ich nach geeigneten Sätzen, wie ich ihr sagen kann, dass ich das nicht wünsche. Dann sage ich mir in Gedanken, dass ich mich nicht so verhalten würde. In Gedanken verurteile ich sie für ihre übergriffige Art.
Ich nehme wahr, dass mein Körper bei diesen Gedanken angespannt ist. Ich nehme wahr, dass ich einen Ärger verspüre. Ich nehme wahr, dass ich immer wieder meine Atmung anhalte.
Merkst du es schon? Das Tool des Tatsachenberichtes lässt dich die Situation distanzierter wahrnehmen.
Du bist nicht mehr so identifiziert mit deiner empörten Reaktion. Ich nehme auch an, dass du ruhiger wirst, deine Gedanken nicht mehr so stark kreisen und deine Empörung auch nicht mehr dominiert.
Wenn du dieses Maß an Distanz oder Detachment erreicht hast, kannst du einen tiefen Atemzug nehmen, wieder normal atmen und sämtliche Anspannungen im Körper loslassen.
Achtung hier die Stolpersteine
Mit diesem Tool stoppen wir die Geschichten und die Bewertungen und lernen Detachment.
Wir geben unserer Geschichte gaaaanz viel Macht, da sie uns geformt hat, so wie wir jetzt sind. Wer wären wir denn ohne unsere Geschichte? Wir würden unsere Identität verlieren. Das ist ganz schön angsteinflößend.
Aber wir wollen genau das, denn diese Identität dient uns nicht.
Die Identität ist eine Koryphäe in Sachen richtiges Verhalten und Moral, der Do's und Don'ts. Denn sie stellt sich über das Verhalten der anderen. "Ich verhalte mich richtig, du verhältst dich falsch!"
Der zweite Stolperstein sind unsere Werte und Bewertungen. Auch sie machen uns aus. "Weil ich bin ein fairer, rücksichtsvoller Mensch!" Und was wäre, wenn du das jetzt auch loslässt? Wer bist du dann? Nur noch ein Mensch? OMG!!!
Der dritte Stolperstein ist unsere Identifizierung mit der Empörung. Daher lernen wir auf Distanz zu gehen und die Identifizierung aufzuheben, so daß wir aus einer neutral Position heruas die Situation einschätzen und agieren können.
Viel Spaß mit dem Tool des Tatsachenberichts.
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