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Die verflixten Gefühle



Wut, Zorn, Trauer, Hass, Aufregung, Scham, Schuld…wir haben eine große Palette an Gefühlen. Vielen wird eine negative Schwingung nachgesagt, einige davon soll man unterdrücken, andere wiederum an einem Polster ausagieren.


Was wäre, wenn Gefühle gar nicht ausgedrückt werden müssen?

Was wäre, wenn man sie einfach hat, sie nicht bewertet und mal gar nichts damit tut?

Was wäre, wenn man sie einfach als Richtungsweiser betrachtet?

Was wäre, wenn Gefühle einfach nur eine Form von Energie wären?


Oft habe ich als Kind gehört: „Sei nicht so wütend!“ Aber ich war wütend! Ich wollte die Puppe, das Eis und im Auto vorne sitzen. Natürlich habe ich meiner Wut Ausdruck verliehen, ich habe geschrien, geheult, gestampft, meine Fäuste geballt und noch lauter geschrien. Mein Vater sagte dann: „Du siehst hässlich aus, wenn Du zornig bist.“ Als auf sein Aussehen bedachtes Mädchen war das natürlich ein Killer-Argument. Ich begann meine Wut zu unterdrücken – wer will schon hässlich sein!

Aber die Wut spürte ich doch. Und irgendwann explodierte ich doch und schleuderte meine Wut auf Mama, Papa, Schwester oder sonstige Urheber im Außen. Nie kam mir die Idee dieses Gefühl einfach zu haben – es musste auf jemanden gerichtet werden. Später begann ich die Wut anstelle auf das Außen nach innen (auf mich) zu richten. Ich war wütend auf mich, wenn ich wieder wütend war. Als krönender Abschluss kam dann noch das schlechte Gewissen dazu, denn:

– Ich war zornig gewesen und konnte meinen Zorn nicht kontrollieren.

– Ich war deshalb hässlich – Papa hatte einfach Recht!

– Ich bin deswegen ein schlechter Mensch und so ganz bestimmt nicht liebenswert. (Meine Interpretation)


Wir haben nie gelernt mit Gefühlen sinnvoll umzugehen

Im Zuge unserer Adoleszenz haben wir erlebt, dass Gefühle bewertet werden. Es gibt die guten und die schlechten. Dazu gibt es auch unzählige Bücher à la „Wie du negativen Gefühle loslassen kannst“ . Aber meine Frage nun: Wieso sollte ich das denn wollen? Wer sagt was positiv für mich ist oder negativ? Gibt es Gefühle nur, um sie zu unterdrücken? Das kann doch nicht sein – wozu haben wir sie denn dann?

Gefühle lenken uns durchs Leben. Gefühle sind unsere direkte 1:1 Verbindung zu uns selbst. Sie sind schlau und geschickt und umgehen sogar unseren wertenden Verstand.

Sie lassen uns fühlen, wie wir im Moment zu einer Sache stehen. Wir lieben etwas, wir hassen etwas, wir sind traurig darüber. Gefühle wollen nur gespürt werden, sie brauchen nicht ausgedrückt werden.

Gefühle wollen gespürt werden, sie brauchen nicht ausgedrückt werden

Ich habe gelernt Zorn nach außen auszudrücken. Mit meinem Zorn Leute anzubrüllen. Zorn war immer verbunden mit Streit, Liebesentzug seitens des Gegenübers, gefolgt von schlechtem Gewissen und Selbstvorwürfen.

Doch was passiert, wenn mein Zorn gar keinen Ausdruck braucht – kein Schreien, keine Person auf die ich ihn richte?

Wenn Zorn einfach da sein kann, dann kann die Energie, das Gefühl, einfach da sein. Und ich kann einfach damit sein. Ich muss nichts tun damit. Ich muss niemanden beleidigen, anspucken, schlagen (verbal oder physisch). Ich muss die Welle des Zorns nur spüren und mir erlauben sie zu haben. Wenn die Welle vorüber ist, kann ich immer noch entscheiden, was ich tun will. Ob ich bewusst laut werden will, um gehört zu werden. Ob ich ruhig sage, was ich sagen will. Oder ob ich gar nichts mache. Die Emotion gibt mir klar Bescheid darüber, wie ich zu einer Sache stehe.

Das nenne ich sinnvoll mit Gefühlen umgehen.

Spüre ich Traurigkeit, dann habe ich sie eben. Ich muss sie nicht heulend ins Außen tragen und daran zerbrechen.

Spüre ich Freude, dann habe ich sie eben. Ich muss keine Luftsprünge machen und laut lachen, damit sie jeder sieht (aber ich kann).

Spüre ich Scham, dann habe ich sie eben. Ich muss nicht versinken und klein werden und in einer Ecke verschwinden.

Bei jedem Gefühl kann ich trotzdem ICH bleiben in meiner ganzen Kraft und Stärke.


Was also tun?

Gefühle müssen nicht bewertet werden. Sie müssen nicht erklärt werden. Sie brauchen auch keine Begründung. All das bringt dich nur in den Verstand und weg von der Intensität des Fühlens. Gefühle wollen einfach nur gefühlt werden. Sie wollen auch nicht unterdrückt werden, sonst wären sie nicht da und gegen sie braucht man auch nicht zu kämpfen, das wäre gegen die Realität ankämpfen.


5 Hacks zum Umgang mit Gefühlen

#1 Gefühl wahrnehmen

Spüren was du gerade fühlst.


#2 Die Reaktion darauf stoppen

Die Reaktion auf ein Gefühl wahrnehmen:

-Bewertung („Wut ist schlecht!“)

-Selbstherabsetzung („Jetzt bin ich schon wieder traurig!“)

-Opferhaltung („Immer habe ich solche Gefühle!“)

-Vergleiche („Alle anderen, sind nie so wütend wie ich!“)

-Erklärungen („Ich bin so traurig weil Mr. X so gemein zu mir war!“)

-Verdrängung über Ablenkungshandlungen


#3 Den Zustand annehmen

Ja es fühlt sich gerade sehr traurig, schmerzhaft, trostlos…. an. Ich werde damit aber nicht klein, gramgebeugt oder hasserfüllt, ich richte sie auch nicht nach außen oder innen, sondern bleibe aufrecht und in meiner Kraft.

Nimm an, was gerade ist. Damit gibst du dem, was da ist Raum. Es darf gespürt und anerkannt werden. Es bekommt keine Wertung. Es ist, was und wie es gerade ist.


#4 Spüren ohne Reaktion

Lass alle Anspannungen und Widerstände los und atme tief und voll. Spüre das Gefühl, das gerade da ist. Wenn erst recht Wut hochkommt – spüre sie ohne Bewertung und ohne Ziel. Wenn Schmerz spürbar wird – spüre ihn ohne Selbstmitleid oder Abwehr. Das macht dich stark. Es stärkt dein Selbstvertrauen und bringt dich wieder zu Dir zurück.


#5 Benefits

Dein Selbstvertrauen wächst, weil du merkst, dass du Gefühle – egal welcher Intensität – haben kannst.

Deine Selbstachtung steigt, weil du deine Gefühle nicht unterdrücken musst, sondern dazu (zu dir) stehen kannst.

Deine Selbstliebe wächst, wenn du dir erlaubst so zu sein, wie du bist.

Manchmal gelingt es allein und manchmal braucht man ein Gegenüber, das dich dabei unterstützt. Ich mache das gerne – in meinen Sitzungen unterstütze ich denjenigen/diejenige, der/die lernen will mit seinen/ihren Gefühlen sinnvoll umzugehen.

Stell dir vor wir leben in einer Welt, in der Gefühle nicht nach Außen getragen werden müssen – gäbe es dann Kriege?


FREE YOUR BODY!


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